Mit
Küchenmesser auf der Pirsch
Wurster
rücken aus zum Kümmelkohlstechen
Ein
Artikel aus der Nordsee-Zeitung von Beate Uhlig vom 13. Mai 2003
Mitte Mai
ist Erntezeit und viele alteingesessene Wurster Bürger sind
nicht mehr zu halten. Sie sind dem Kümmelkohl auf der Spur.
Das heimliche Wurster Nationalgericht ist erntereif.
Der Wiesenkümmel wächst auf den Weiden am Deich und
zum Teil auch in der Marsch. Bewaffnet mit Küchenmesser und
Korb, den Blick gesenkt, suchen die Wurster vor allen Dingen im
Deichvorland nach der schmackhaften Gemüsepflanze, die in
Land Wursten um diese Jahreszeit schon immer auf den Mittagstisch
kam. "Kümmel ist dem Magen und dem Mund ganz lieblich
und dienstlich. Er schützt vor Hexen und vor Flöhen",
heißt es in einem mittelalterlichen Kräuterbuch. 
Henning Siats ist als alteingesessener Wurster mit der Familie
Klett im Hofer Außendeichsbereich unterwegs. "Ich steche
hier jedes Jahr Kümmel und kenne die guten Stellen ganz genau.
Heute will ich unseren Neubürgern den alten Wurster Brauch
des Kümmelstechens zeigen", sagt Siats und läßt
ein Kümmelpflänzchen nach dem anderen in seinem Spankorb
verschwinden. Sigrid und Helmuth sind mit ihren beiden Söhnen
Philliph und Jonas vor drei Jahren nach Wremen gezogen. "Wir
interessieren uns für alle Dinge, die mit alter Wurster Tradition
zusammenhängen", betont Sigrid Klett. "Mit Adlerblick
suchen und dann zustechen" bringt Helmuth Klett das Gelernte
auf den Punkt.
"Immer schön mit der Wurzel ausstechen, die schmecken
am intensivsten nach Kümmel", bringt Siats seinen vier
Schülern bei. Er erklärt auch, dass die meisten der
traditionellen Sammelareale jetzt im Nationalpark Wattenmeer liegen.
Dennoch ist das Stechen von Kümmel und Röhr den Wurster
Bürgern
unter
bestimmten Auflagen auch weiterhin ausdrücklich erlaubt.
Kohl für den Eigenbedarf
Laut § 13 des Nationalparkgesetzes vom Sommer 2001 ist das
Kolstechen in der Zwischenzone eine erlaubte Nutzung für
die Einwohner der Gemeinden, deren Gebiet ganz oder teilweise
Bestandteil des Nationalparks ist (ortsansässige Bevölkerung).
Diese dürfen Speisepilze und Beeren sammeln sowie in den
Monaten Mai und Juni zwischen Weser und Elbe Kohl für den
Eigenbedarf stechen. Die Leiterin des Nationalpark-Hauses in Dorum-Neufeld
stellt klar: "Wenn die Wurster Bürger nur zum Eigenverzehr
Kümmel stechen, ist das aus der Sicht des Nationalparks zu
tolerieren. Diese gesetzliche Regelung darf aber keinesfalls dazu
mißbraucht werden, dass Kümmel und Röhr in großen
Mengen auf den Wochenmärkten verkauft werden", so Menger.
Mittlerweile sind die Körbe der eifrigen Kohlstecher gefüllt.
"Jetzt haben wir den Salat", lästert der achtjährige
Philliph respektlos. Zuhause auf der Terrasse geht der Kümmelunterricht
weiter. "Wurzeln sauber schaben, welke Blätter aussortieren
und immer wieder waschen, sonst knirscht das Gemüse beim
Essen zwischen den Zähnen", so Siats. Endlich ist es
soweit. Ein Stückchen Butter in den Topf, den Kümmel
dazu und mindestens 20 Minuten dünsten. "Ältere
Wurster können mit diesem "schlanken" Kümmelrezept
gar nichts anfangen. Wenn der Kümmel schmecken soll, gehört
Kassler und Speck dazu", so eine Wremerin voller Überzeugung.
Kohl-Rezepte:
1. "Schlankes Rezept für Kümmelkohl (der intensive
Kümmelgeschmack des Gemüses bleibt erhalten): 750 Gramm
Kümmelkohl und 100 Gramm gewürfelte Zwiebeln in 75 Gramm
Butter andünsten und mit 125 Milliliter Weißwein ablöschen.
20 bis 30 Minuten garen. Sparsam mit Salz und Muskatnuss würzen.
2. Kümmelkohl,
wie er schon immer im Lande Wursten auf den Tisch kam: 750 Gramm
Kümmelkohl mit einem Stück geräucherten, durchwachsenen
Speck oder Kassler sowie 4 -6, besser 7, Kochwürsten eine
Stunde lang schmoren. Mit Haferflocken oder angerührtem Weizenmehl
binden.
Guten Hunger!
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